“Ich musste in einem fensterlosen Raum sitzen und spürte, wie gefühlt 30.000 andere Sänger:innen neben mir alle eine Krise bekamen – der Stress und die Anspannung waren gross.“
Manchmal fragen mich Leute, warum ich bei „The Voice“ mitgemacht habe. Und dann muss ich eine sehr klischeehafte, aber wahrheitsgemässe Antwort geben: Es war auf meiner Bucket List!
Diese Bucket List beinhaltet Dinge wie: ein Buch schreiben, auf einem Pferd durch die Mongolei reiten und aus einem Flugzeug springen. Letzteres habe ich dieses Jahr tatsächlich gemacht. Tolle Erfahrung, aber mir klingeln immer noch die Ohren. 2020 dachte ich, es sei an der Zeit, bei „The Voice“ mitzumachen.
Als professionelle Sängerin ist die Teilnahme an kommerziellen Gesangswettbewerben immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Stell Dir vor, niemand dreht sich um? Dass du den falschen Ton anschlägst oder den Text vergisst! Trotz all dieser Ängste war meine Neugier grösser. Es fühlte sich an, als wäre die Zeit reif.
Rückblickend war 2020 sicherlich nicht das beste Jahr… aber naja, mit einer Pandemie habe ich nie gerechnet. Die Erfahrung selbst war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte, es gäbe Zeit – viel Zeit(!) -, um mich zum Beispiel vorzubereiten und das Beste von mir zu geben. Das war leider nicht so. Sehr oft wurde ich angerufen, dass ich am nächsten Tag am Set sein müsse, was natürlich etwas Stress bei mir auslöste.
Aber mal zurück zum Beginn: Wie macht man eigentlich mit bei „The Voice“? Ich kann nur über meine Erfahrung in Belgien sprechen, aber es war ganz einfach: Ich ging auf die offizielle Website und meldete mich an. Zusätzlich sollte ich ein kurzes Video einreichen, in dem ich mein Können demonstrierte. Nach einigen Wochen erhielt ich dann eine Einladung zu einem kurzen Vorsingen vor einer vierköpfigen Jury. Diese war nicht die gleiche Jury der späteren Blind Audition, sondern deren „rechte Hand“ – eine qualifizierte Gruppe, die für die Vorauswahl zuständig war.
Ich erinnere mich, dass ich ankam und Hunderte von Menschen da waren. Ich musste in einem fensterlosen Raum sitzen und spürte, wie gefühlt 30.000 andere Sänger:innen neben mir alle eine Krise bekamen – der Stress und die Anspannung waren gross. Als es endlich so weit war, ging ich hinein. Sie stellten mir ein paar Fragen und dann durfte ich etwas vorsingen. Mein schlimmster Albtraum wurde wahr: Ich vergass meinen Text und sang hauptsächlich mit ‹lalala›. Das ganze Warten und Nichtessen vor Stress hatte mir anscheinend nicht gutgetan.
Als das Vorsingen vorbei war und ich wieder in meinem Auto auf dem Heimweg sass, dachte ich, es wäre vorbei und fühlte mich irgendwie auch erleichtert. Eine Woche später bekam ich jedoch eine weitere Einladung. Ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Dieses Gespräch war weder schwierig noch besonders. Ich sprach mit einigen der Leute, die die Show produzierten und arrangierten. Ich erzählte etwas über mich und was ich im Leben mache. Zwei Tage später bekam ich eine Liste mit Hunderten von Songs zugeschickt und einen Termin für die nächste Runde. Ich musste 10 der gelisteten Songs vorbereiten.
Für das nächste Vorsingen wurde ich in einem grossen Musikstudio irgendwo in der Nähe von Brüssel erwartet. Ich wusste nicht, was auf mich zukam, aber ich habe pflichtbewusst 10 Songs ausgewählt und einstudiert. Mit etwa 20 anderen Sänger:innen stand ich vor der Tür des Musikstudios. Ich lernte gleich ein paar Kandidat:innen kennen, was ganz nett war und die Aufregung etwas vertrieb.
Nachdem ich ein paar Stunden Tee getrunken, meine Stimme aufgewärmt und mit meinen Mitbewerber:innen geplaudert hatte, wurde ich hereingerufen. Sofort wurde ich gefragt, ob ich noch andere Songs hätte, als die, die ich vorbereitet hatte, weil alle bereits von anderen Leuten ausgewählt worden waren. Etwas verblüfft fielen mir dennoch einige Songs ein. Ich bin gelernte Musical-Sängerin und konnte daher nur an Musical-Stücke denken. Auf Grund des Zeitdrucks hat sich ein dunkelhaariger, gestresster Mann hinter den Studioknöpfen etwas an meiner Stelle ausgesucht. Ich hatte 2 Takes, um in 30 Sekunden dieses Lied zu singen. Mit klopfendem Herzen startete ich den ersten Take und sie fanden das gut genug. Ich erhielt ein „Danke, Sie hören von uns“ und wurde nach Hause geschickt. Wieder musste ich abwarten, ob ich in die nächste Runde komme.
3 Wochen später war es so weit und mir wurde mitgeteilt, dass ich zu den Blind Auditions zugelassen wurde. Ich hätte nie gedacht, dass ich so viele Runden drehen müsse, bevor ich überhaupt eine Blind Audition machen dürfe! Ich hatte genau 2 Tage Zeit, um mich vorzubereiten.
Bei den Blind Auditions war ich im letzten Durchgang. Alle bis auf 2 Plätze waren schon vergeben und 100 verbleibende Sänger:innen kämpften nun um die letzten beiden begehrten Plätze. Ich erinnere mich, dass ich auf die Bühne geschickt wurde, nachdem ich ganze 12 Stunden(!) gewartet hatte und kaum Zeit hatte, anzukommen.
Da stand ich mit zitternden Händen vor einem mittelgrossen Publikum, blendenden Lichtern, einem Haufen grosser Fernsehkameras, die auf meinen Kopf gerichtet waren und 4 Bandmitgliedern hinter mir. Die Musik begann und ich war noch nicht so weit und habe damit den Anfang leicht verpasst. Ich hätte vor Scham im Boden versinken können. Aber dann dachte ich: YOLO (Man lebt nur einmal!), kam vollkommen im Moment an und genoss den Auftritt in vollen Zügen. Beim letzten Ton passierte es! Einer der beiden noch verfügbaren Stühle drehte sich um. Ich hätte vor Freude in die Luft springen können.
Danach ging es sehr schnell. Gleich am nächsten Tag wurde ich am Set erwartet, um meinen Coach zu treffen. Es war eine intensive Zeit. Nachdem mein Coach einen Song für mich ausgesucht hatte und einige Proben stattgefunden hatten, war es Zeit, die Battles anzutreten.
Zwei Mal kam ich noch weiter und kurz vor den Liveshows war meine Zeit leider gekommen. Ich musste nach Hause gehen. Ich habe damals einige Tränen vergossen, weil ich gerne weitergemacht hätte und Musik auf meine eigene Weise kreativ einbringen wollte. Doch schon bald kam die Erleichterung: nach ein paar Monaten Dauerstress bei „The Voice“ hatte ich nun wieder Zeit, um mich auf mich selbst zu fokussieren.
Bin ich froh, dass ich teilgenommen habe? Absolut! Top-Erfahrung! Aber ein Tipp, den jede:r Kandidat:in geben würde: Sei durchsetzungsfähig, sage immer, womit Du Dich wohlfühlst und vor allem hab viel Spass dabei. Geniesse es! Alles in allem bin ich stolz, dass ich dabei war und wer weiss, vielleicht werde ich diese Chance in Zukunft noch einmal nutzen.